Donnerstag, 21. März 2013

Getränke zwischen Kultur und Konsum

Die Milch macht's. Junger Bergmann nach der Schicht in Kamp-Lintfort, ca. 1955.
Foto: LWL/Windstosser

 Bier für das Ruhrgebiet, Schnaps für Westfalen

Bier für das Ruhrgebiet, Schnaps für Westfalen - was ist dran an den regionalen Vorlieben für spezielle Getränke? Die Ausstellung "Zum Wohl! Getränke zwischen Kultur und Konsum" geht auf Spurensuche. Sie zeigt die Entwicklung der Trinkkultur und Kultgetränke in Westfalen und dem Ruhrgebiet im Industriezeitalter. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eröffnet die Schau am Freitag, 22. März, um 19 Uhr in seinem Industriemuseum Zeche Hannover in Bochum, sie ist bis zum 1. September zu sehen.

"Die wichtigsten Getränke haben im Laufe der Geschichte unterschiedliche Konjunkturen erfahren. Mit der Industrialisierung wuchs im Ruhrgebiet ein ungeheurer Durst nach Wasser und Bier. Doch mit dem Strukturwandel hat auch die ehemalige Bierstadt Dortmund ihren einstigen Spitzenplatz in Europa verloren", erklärte LWL-Museumsleiter Dietmar Osses am Donnerstag (21.3.) bei der Vorstellung der Ausstellung und des umfangreichen Begleitprogramms. So spiegelten die Getränke nicht nur den jeweiligen Zeitgeist wider, sondern auch die technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten.

Mit zahlreichen Exponaten, Fotos und Dokumenten gibt die Ausstellung am Beispiel von Bier und Schnaps, Wasser und, Limonade, Milch, Kaffee und Tee einen Einblick in die Produktion, das Image und den Konsum des flüssigen Kulturguts im Wandel der Zeit. Die Ausstellung zeigt die sozialen Zuschreibungen und Konjunkturen, denen der Konsum der verschiedenen Getränke unterliegt, und beleuchtet die Hintergründe.

Emmy Olschewski 1981 vor ihrer Trinkhalle
 in Castrop-Rauxel. Die Bude steht jetzt in der
Ausstellung "Zum Wohl".  Foto: LWL
Wasser ist das natürlichste aller Getränke und heute doch ein High-Tech-Produkt. Maschinelle Produktion und künstliche Kohlensäure machten das Mineralwasser Ende des 19. Jahrhunderts im Ruhrgebiet populär. Aus den Verkaufsständen der Mineralquellen aus der Eifel entwickelten sich die Trinkhallen im Revier - bis heute eine weit verbreitete und hoch geschätzte Institution im Ruhrgebiet.

Die originale historische Trinkhalle von Emmy Olschewski aus dem Jahr 1921 bildet entsprechend den Mittelpunkt der Ausstellung. Bis 1995 stand sie in der Bergarbeitersiedlung Schwerin in Castrop-Rauxel. Die Trinkhalle sicherte der Bergmannswitwe Anna Jaeger und ihrer Tochter Emmy Olschewski Jahrzehnte lang das Einkommen und galt als wichtiger Ort der Nahversorgung und als Nachrichtentreff der Nachbarschaft.


Über 100 Jahre alt ist dieses Werbeschild
von Sinalco. Foto: LWL



Limonade wurde Anfang des 20. Jahrhunderts im Zuge der Mäßigkeitsbewegung als alkoholfreie Alternative zu Schnaps und Bier propagiert. Die Marke Sinalco - ein Kunstwort aus dem lateinischen "sine alcohol" - ohne Alkohol - trat ab 1905 aus dem ostwestfälischen Städtchen Lage und später Detmold ihren Siegeszug durch ganz Deutschland und Europa an.

Schnaps diente bis in die Anfänge der Industrialisierung als günstiger Energielieferant für die Ärmsten der Gesellschaft. Im Maschinenzeitalter brachten die berauschende Wirkung und drohende Alkoholsucht hochprozentigen Alkohol in Verruf. Vor allem in den ländlichen Regionen Westfalens haben Konsum und Herstellung von Schnaps bis heute jedoch ihre Bedeutung bewahrt.


Bier erlebte als erfrischendes Getränk mit geringem Alkoholgehalt im Industriezeitalter eine einzigartige Hochkonjunktur. Neue Brau- und Kühlverfahren machten Bier zum beliebten Massengetränk im Ruhrgebiet. Der Dreiklang Kohle, Stahl und Bier bildete viele Jahre lang das Motto der Biermetropole Dortmund, die Anfang der 1970 Jahre mit mehr als siebeneinhalb Millionen Hektolitern Bierausstoß pro Jahr den Spitzenwert in Europa erzielte. Mit dem Niedergang von Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie schwanden seit Mitte der 1960er Jahren die Massenarbeitsplätze, und auch der Bierkonsum ging deutlich zurück. Heute dominieren wenige Großbrauereien den deutschen Markt. Viele der bekannten Biersorten und Biermarken wie Schlegel oder Hülsmann sind verschwunden. Einige wenige kleinere Privatbrauereien wie die Bochumer Fiege-Brauerei können sich jedoch am Markt behaupten.

Historische Knickerflaschen waren bis in die 1950er Jahre in Gebrauch. Foto: LWL


Milch ist nahrhaft, galt aber wegen der geringen Haltbarkeit bis Anfang des 20. Jahrhunderts als riskant. Mit verbesserten Möglichkeiten zur Kühlung und Vorbeugung gegen Keime entwickelte sich die Milch schließlich vom Risikogetränk zum gesunden Grundnahrungsmittel. Als Vorbeugung gegen Vergiftungserscheinungen war sie für die Arbeiter in Kokereien und an Hochöfen oft Pflicht.


Kaffee galt lange als teures Luxusgut für die "bessere Gesellschaft". Erst im 20.Jahrhundert breitete sich der Kaffeekonsum in allen Gesellschaftsschichten aus. Aus den Bergwerken des Ruhrgebiets war die "Kaffeepulle" bald nicht mehr wegzudenken. Heute ist Kaffee in seinen vielfältigen Formen das am meisten konsumierte Getränk in Deutschland.

Tee gelangte mit den Entdeckungsreisen aus Fernost nach Europa. Im Industriezeitalter entwickelte sich die Luxusware zum Massenprodukt. Hochofenarbeiter schätzten den Tee als Hilfe gegen hohen Flüssigkeitsverlust. Für viele Arbeiter aus Südeuropa bedeutete das Teetrinken in vertrauter Runde ein Stück Heimat in Deutschland.


Begleitprogramm:

Freitag, 22. März, 19 Uhr

Eröffnung der Ausstellung mit Ausstellungsrundgang und Begleitprogramm

Montag, 1. April, 16 Uhr
Offene Führung durch die Ausstellung

Samstag, 6. April, 16 Uhr
Vortrag mit Workshop und Verkostung: Kaffee - das Schmiermittel der Industrialisierung. Geschichte, Globalisierung und guter Geschmack. Mit Kaffeeröster Alex Kunkel.
Anmeldung unter Tel. 0234 6100-847

Sonntag, 7. April, 14 Uhr
Vortrag mit Workshop und Verkostung: Kaffee - das Schmiermittel der Industrialisierung. Geschichte, Globalisierung und guter Geschmack. Mit Kaffeeröster Alex Kunkel.
Anmeldung unter Tel. 0234 6100-847

Freitag, 26. April, 19 Uhr
"Korn, Schnaps und lecker Likörchen". Workshop mit Olaf Vorberg zur Geschichte der Schnapsbrennereien und Likörherstellung in Bochum. Mit Kostprobe.
Anmeldung unter Tel. 0234 6100-847

Montag, 20. Mai, 14 Uhr
"Kaffeeklatsch". Führung durch die Ausstellung "Zum Wohl" mit Gespräch bei Kaffee und Kuchen. Anmeldung unter Tel. 0234 6100-847. Kosten: 5 € pro Person.

Donnerstag, 6. Juni, 19 Uhr
"Vom Wasserhäuschen zur Seltersbude". Trinkhallen im Ruhrgebiet. Vortrag von Dietmar Osses

Sonntag, 30. Juni, 16 Uhr
Offene Führung durch die Ausstellung

Samstag, 6. Juli, 21-23 Uhr
Bierkenner-Wettbewerb zur Extraschicht - Nacht der Industriekultur. In Zusammenarbeit mit dem Dortmunder ProBier-Club. Kosten: Sondereintritt Extraschicht.

Sonntag, 21. Juli, 14 Uhr
"Kaffeeklatsch": Führung durch die Ausstellung "Zum Wohl" mit Gespräch bei Kaffee und Kuchen. Anmeldung unter Tel. 0234 6100-847. Kosten: 5 € pro Person.

Sonntag, 28. Juli, 14 Uhr
Cocktails für Kinder: Workshop und Ausstellungsrundgang. Bunte Säfte und frische Früchte werden in eigens dekorierten Gläsern hergerichtet. Anmeldung unter 0234/ 61 00 847. Kosten: 3 € pro Person

Sonntag, 11. August, 14-16 Uhr
Cocktails für Kinder: Workshop und Ausstellungsrundgang. Bunte Säfte und frische Früchte werden in eigens dekorierten Gläsern hergerichtet. Anmeldung unter 0234/ 61 00 847. Kosten: 3 € pro Person.

Sonntag, 25. August, 14 Uhr
Offene Führung durch die Ausstellung

Sonntag, 1. September, 16 Uhr
Finissage der Ausstellung "Zum Wohl" mit Musik und Begleitprogramm.

Zum Wohl. Getränke zwischen Kultur und Konsum
LWL- Industriemuseum Zeche Hannover
23. März bis 1. September,
geöffnet Mi-Sa 14-18 Uhr, So 11-18 Uhr
Günnigfelder Straße 251 I 44793 Bochum
http://www.lwl-industriemuseum.de


LWL-Einrichtung:
LWL-Industriemuseum Zeche Hannover
Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur
Günnigfelder Straße 251
44793 Bochum
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