Freitag, 29. März 2013

Französischer Charme made in Waldkirch

Das internationale Ansehen der Waldkircher Orgelbaufirmen mit ihren hervorragend ausgebildeten Handwerkern lockte zum Ausgang des 19. Jahrhunderts erfolgreiche französische Firmen nach Waldkirch, um von der ansässigen Handwerkskunst zu profitieren und den deutschen Markt zu erobern.

1896 eröffnete die renommierte Orgelbaufirma Gavioli & Cie aus Paris eine Filiale in Waldkirch. Direktor der Niederlassung wurde Richard Bruder aus der bekannten Orgelbaudynastie Bruder. 1908 folgte die Pariser Firma Limonaire Frères . Beide brachten viel französischen Charme und neue wirtschaftliche Impulse in das damals durch seine Handwerkskunst bekannte Städtchen an der Elz. Das von Gavioli entwickelte Lochkartensystem zur Steuerung des Musikprogramms der großen Musikautomaten wurde von den alteingesessenen Firmen übernommen und sicherte ihnen in den folgenden Jahren die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt.

Die in Waldkirch gefertigten Instrumente von Gavioli & Cie und Limonaire Frères bestachen durch ihre interessante Mischung aus französischer Innovation und deutscher Handwerkskunst, einer orgelbautechnisch hervorragenden Qualität und einem französisch geprägtem Klangbild. Die Fassaden der Instrumente waren im Entwurf typische französische Modelle, die zum großen Teil in der Waldkircher Filiale angefertigt wurden. Sie bildeten den eleganten Rahmen dieser deutsch-französischen Gesamtkunstwerke.

Leider entstand in den Jahren zwischen 1896 bis zum Beginn des ersten Weltkrieges 1914 in den Waldkircher Filialen der beiden Pariser Firmen nur eine geringe Anzahl der erstklassigen Jahrmarkts- und Konzertnotenorgeln mit der eigenständigen Prägung. Heute werden diese Instrumente, soweit sie im Originalzustand erhalten sind, von Fachkreisen höher bewertet als die der Pariser Stammhäuser.

Dieses blau-weiß-rote Band zwischen Weltstadt und Waldkirch ist bis heute erhalten geblieben. Mit dem Motto "Paris in Waldkirch" feiert das Internationale Orgelfest 2008 diese wohlklingende Verbindung zwischen Paris und Waldkirch als mitreißende Feier voll Savoir-vivre.


Ein deutsch-französisches Gesamtkunstwerk
 von 1907 aus Waldkirch

Die große 89er Gavioli Konzertorgel wurde um 1907 in allen Teilen von der Waldkircher Gavioli- Filiale gebaut und steht heute im Elztalmuseum.

Dieses späte Exemplar des Unternehmens besitzt die letzte und ausgereifteste Gavioli-Skala 89/4 und zeigt die typische Handschrift des Waldkircher Direktors Richard Bruder. Er hatte es verstanden, mit den unter seiner Leitung gebauten Gavioli Instrumenten eine gelungene Synthese französischer und deutscher Orgelbaukunst zu schaffen.

Die in Waldkirch gefertigte Fassade ist im französischen Stil gestaltet. Zu der Orgel gehört ein großes Musikrepertoire mit exzellenten Bearbeitungen, die größtenteils in den 20er Jahren von der Firma Alfred Bruder geliefert wurden. Für Alfred Bruder hatte in diesen Jahren der legendäre Musikzeichner Gustav Bruder Noten arrangiert und gezeichnet. Bereits das Notenrepertoire lässt erahnen, welche beeindruckenden musikalischen Möglichkeiten in diesem einzigartigen Instrument vorhanden sind.

Bis ins Jahr 1922 kann dank mündlicher Überlieferung die Geschichte des Instrumentes belegt werden. In diesem Jahr wurde die Orgel von der in München ansässigen Schaustellerfirma Mathieu für das moderne und Aufsehen erregende Zeppelin-Karussell angekauft. Nach dem Krieg spielte die Orgel bis etwa 1960 im Schaustellergeschäft von Kitty Mathieu bei der sog. "Todeswand". Nach der Geschäftsaufgabe wurde die Orgel zusammen mit einigen anderen Instrumenten 1965 nach England verkauft. Nach dem Tod des neuen Eigentümers gelang es der Stadt Waldkirch das, für die Waldkircher Orgelbaugeschichte einmalige Instrument zurück zu kaufen.

Die 89er Gavioli- Orgel, die heute im Elztalmuseum steht, ist das einzige in Fachkreisen bekannte, nahezu vollständig erhaltene Original dieser Größe aus der Filiale Waldkirch. Zur Zeit wird das einzigartige Instrument in einer umfassenden Maßnahme von den Werkstätten des Waldkircher Orgelbaus aufwendig restauriert und spielbar gemacht.

E. Flögel März 2008 www.elztalmuseum.de