Donnerstag, 24. April 2014

Dieter Hildebrandts Witwe nimmt Preis entgegen

Der Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor 2014 war im vergangenen Jahr Dieter Hildebrandt zugesprochen worden. Doch der große Kabarettist, Autor und Schauspieler starb im November 2013. Nun wird an seiner Stelle seine Witwe Renate die Würdigung entgegennehmen.

Der mit 10.000 Euro dotierte „Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor“ wird seit 1985 jährlich von der Stiftung Brückner-Kühner und der Stadt Kassel vergeben. Er zeichnet Autoren aus, deren Werk auf hohem künstlerischem Niveau von Komik und Groteske geprägt ist. Der erste Preisträger war Loriot; nach ihm wurden u. a. Irmtraud Morgner, Robert Gernhardt, Gerhard Polt und Peter Rühmkorf sowie zuletzt Wilhelm Genazino ausgezeichnet. Die Kasseler Sparkasse und die Stadt Kassel unterstützen den Preis und die Arbeit der Stiftung in Zeiten niedrigster Zinserträge großzügig.

Renate Hildebrandt nimmt den Preis am Freitag, 2. Mai, entgegen. Mit ihr wurde vereinbart, den Preis nur in kleinem Kreis zu übergeben. Presse- und Medienvertreter sind jedoch herzlich eingeladen; eine Anmeldung beim Presseabteilung der Stadt Kassel ist erbeten.

Für die Öffentlichkeit wird nach der Feierstunde im Kasseler Kunsttempel die Ausstellung „Zugabe“ von Dieter Hanitzsch eröffnet. Zu sehen sind Zeichnungen, die Dieter Hildebrandts soeben erschienenes Buch „Letzte Zugabe“ sowie weitere seiner Werke illustrieren.

Am Sonntag, 4. Mai, findet eine Film-Matinee im Bali-Kino des Kulturbahnhofs statt. Gezeigt wird die Böll-Verfilmung „Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“; Dieter Hildebrandt spielte die Hauptrolle und schrieb das Drehbuch. Der Eintritt zu den öffentlichen Veranstaltungen ist frei.

Übersicht

Freitag, 2. Mai, 17.30 Uhr:
nicht-öffentliche Feierstunde im Palais Bellevue, Schöne Aussicht 2, 34117 Kassel

19 Uhr:
Ausstellungseröffnung Dieter Hanitzsch „Zugabe. Zeichnungen zu Büchern von Dieter Hildebrandt“ im Kunsttempel, Friedrich-Ebert-Straße 177, 34119 Kassel

Sonntag, 4. Mai, 11 Uhr:
„Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“ von und mit Dieter Hildebrandt, Film-Matinee im Großen Bali, KulturBahnhof, Rainer-Dierichs-Platz 1, 34117 Kassel


Begründung des Stiftungsrates zur Preisverleihung

„Dieter Hildebrandt ist das A und O satirischer Gesellschaftskritik in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Preis ehrt ihn insbesondere für seine Verdienste um das literarisch Komische. Der Autor, Bühnen- und Filmkünstler ist ein Meister geistreicher Sottisen, entfesselter Abschweifungen und präziser Pointen, ein Virtuose der Begriffsverdrehung und der kunstvoll gebrochenen Sätze. Sein unverwechselbarer Stil liefert ein unerreichtes Muster kabarettistischer Sprachkunst. Wie kaum ein anderer hat Dieter Hildebrandt mit seinem Wort und seinem Humor unser politisches Bewusstsein geschärft.“

Feierstunde

Zur Feierstunde sind nur einige Dieter Hildebrandt nahe stehende Menschen, der Stiftungsrat und Vertreter des Magistrats sowie die Presse geladen. Sie findet im Palais Bellevue (Eingang Brüder-Grimm-Museum) statt. Nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister begründet Stiftungsratsvorsitzender Prof. Dr. Dr. h.c. Walter Pape die Wahl des Preisträgers. Renate Hildebrandt wird sich ins Goldene Buch der Stadt Kassel eintragen. Sie wird das Preisgeld spenden und zwar zu gleichen Teilen an das Berliner Grips-Theater und an die gemeinnützige Initiative Nala, die sich gegen die Genitalbeschneidung von Mädchen einsetzt; die Vorsitzende Fadumo Korn ist anwesend und wird sich kurz bedanken. Dazwischen spielen Christine Weghoff (Akkordeon) und Frank Brinkmann (Gitarre) Stücke des von Dieter Hildebrandt geschätzten Django Reinhardt.

Ausstellung

Dieter Hanitzsch: „Zugabe. Zeichnungen zu Büchern von Dieter Hildebrandt“
Kunsttempel, 3. Mai bis 8. Juni 2014, Eröffnung am 2. Mai, 19 Uhr

Oberbürgermeister Bertram Hilgen wird zur Eröffnung begrüßen. Dieter Hanitzsch ist anwesend, ebenso Renate Hildebrandt.

Soeben erschien im Blessing-Verlag das Buch „Letzte Zugabe“ mit nachgelassenen Texten von Dieter Hildebrandt. Zu dem Buch hat Dieter Hanitzsch zehn Zeichnungen beigesteuert, die in der Ausstellung zu sehen sind. Der Karikaturist hat alle Bücher von Dieter Hildebrandt illustriert, den er zeichnerisch und freundschaftlich seit dessen Wirken bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft begleitet hat. Aus dieser langen Zeit wird eine Auswahl von Zeichnungen in der Ausstellung gezeigt. Auch Dieter Hildebrandt selbst ist in der Ausstellung filmisch vertreten mit drei Kolumnen, die er zu dem von ihm mitgegründeten freien Satiresender „stoersender.tv“ beigesteuert hat und die sich als Text auch im Buch „Letzte Zugabe“ finden.

Der Karikaturist Dieter Hanitzsch, geboren 1933 in Böhmen, arbeitete zunächst als Werbeleiter einer Münchner Großbrauerei, bevor er zum Bayerischen Fernsehen wechselte. Schon während des Studiums zeichnete Hanitzsch politische Karikaturen für die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Abendzeitung“. 1985 machte er sein Hobby Zeichnen zum Hauptberuf, war zwölf Jahre Chefkarikaturist der „QUICK“. Er veröffentlichte viele Karikaturenbücher, die erfolgreichsten über Franz Josef Strauß, und zeichnet heute für die „Süddeutsche Zeitung“ und den "Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag". Seit 2004 sendet das Bayerische Fernsehen wöchentlich seine animierte politische Zeichenglosse „Der große Max“- aus dem Tagebuch des CSU-Bundestagsabgeordneten Max Froschhammer. Seit Oktober 2007 ist Hanitzsch ständiger Gast am „Sonntags-Stammtisch“ des Bayerischen Fernsehens. Er wurde vielfach ausgezeichnet und lebt in München-Waldperlach.

Film-Matinee

„Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“
von und mit Dieter Hildebrandt
Deutschland 1963/64 (45min sowie 15min Interview)
Sonntag, 4. Mai, 11 Uhr, Großes Bali, KulturBahnhof

Für die geniale Satire auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach einer Erzählung von Heinrich Böll schrieb der junge Dieter Hildebrandt das Drehbuch und spielte die Hauptrolle. Redakteur Dr. Murke hat die Aufgabe, 27 Mal das Wort „Gott“ aus der Aufnahme eines tiefschürfenden Vortrags von Kulturpapst Prof. Bur-Malottke nachträglich herauszuschneiden und es durch „jenes höhere Wesen, das wir verehren“ zu ersetzen ... Schauplatz ist das Frankfurter Funkhaus des hr. Mit freundlicher Unterstützung des Hessischen Rundfunks. Der Eintritt ist frei.

Über Dieter Hildebrandt

Dieter Hildebrandt, 1927 in Bunzlau (Niederschlesien) geboren und am 20. November 2013 verstorben, war der einflussreichste Kabarettist der Bundesrepublik Deutschland, tätig auch als Autor von Radio- und Fernsehsendungen, Büchern und Hörbüchern sowie als Schauspieler.

 Während seines Studiums der Theater- und Literaturwissenschaften gründete Hildebrandt das Studentenkabarett „Die Namenlosen“. Danach kam es dann 1956 mit Sammy Drechsel zur Gründung der legendären „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“, deren Programme Dieter Hildebrandt etwa zur Hälfte geschrieben hat. Sie wurden von Anfang an im Hörfunk und Fernsehen gesendet: Im Deutschen Fernsehen gab es etwa 25 Live-Sendungen. Nach der Auflösung des Ensembles 1972 wirkte Dieter Hildebrandt bis 1979 als Moderator und Mitautor der ZDF-Sendereihe „Notizen aus der Provinz“ und von 1980 bis 2003 der Sendung „Scheibenwischer“ vom SFB. 1974 bildete er gemeinsam mit Werner Schneyder das „Autorenkabarett“ (bis 1982). In Bühnenprogrammen und Filmen kam es zur Zusammenarbeit mit Gerhard Polt und zahlreichen weiteren Kollegen.

Seit dem Sommer 2010 tourte Hildebrandt mit den Programmen „Ich kann doch auch nichts dafür“ sowie „Vorsicht Klassik!“. Außerdem war er Mitinitiator des satirischen Internet-Fernsehsenders „störsender.tv“, finanziert durch Crowdfunding und ehrenamtliche Arbeit der beteiligten Künstler; die erste Sendung konnte im März 2013 abgerufen werden.

Nach seinen frühen Büchern, beispielsweise der satirischen Analyse „… über die Bundesliga“ (1979), wurden insbesondere seine autobiografischen Werke, die Erinnerungen mit Satiren bzw. Kabarettexten mischen und jeweils von Dieter Hanitzsch illustriert sind, große Erfolge, so zum Beispiel die Bestseller „Was bleibt mir übrig“ (1986), „Denkzettel“ (1992) und zuletzt „Nie wieder achtzig!“ (2007).


Dieter Hildebrandt: „Letzte Zugabe“

Am 21. April ist nun bei Blessing das Buch „Letzte Zugabe“ mit nachgelassenen, vor allem für Bühne und Kamera geschriebenen Texten von Dieter Hildebrandt erschienen. Sie zeigen Dieter Hildebrandt als Meister der satirisch-kämpferischen Auseinandersetzung mit den Zeitläuften, als witzigen Kommentator grotesker Vorgänge in unserem Land und als unerbittlichen Aufklärer, der kritisch war, aber auch lustig, ja von ungebremster Freude am Heiteren. Mit einem Nachwort von Roger Willemsen und den pointierten Zeichnungen von Dieter Hanitzsch.


„Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor“ und
 „Förderpreis Komische Literatur“

Der „Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor“ wurde der Stadt Kassel von der Stiftung Brückner-Kühner zum Geschenk gemacht. Er ist mit 10.000 Euro dotiert und wird Schriftstellern (im ersten Jahrzehnt des Preises auch Literaturwissenschaftlern) zugesprochen, deren Werk sich auf hohem künstlerischem Niveau durch Humor, Komik und Groteske auszeichnet. Seit 1985 erhielten folgende Personen die Kasseler Auszeichnung: Loriot, Eike Christian Hirsch, Ernst Jandl, Wolfgang Preisendanz, Irmtraud Morgner, Ernst Kretschmer, Robert Gernhardt, Walter Hinck, Christoph Meckel, Volker Klotz, Hanns Dieter Hüsch, Karl Riha, Max Goldt, Franzobel, Ingomar von Kieseritzky, Peter Bichsel, George Tabori, Franz Hohler, Eugen Egner, Ror Wolf, Katja Lange-Müller, Gerhard Polt, F.W. Bernstein, Peter Rühmkorf, Herbert Achternbusch, Thomas Kapielski, Ulrich Holbein, Wilhelm Genazino und Dieter Hildebrandt.

Den gleichzeitig vergebenen „Förderpreis Komische Literatur“ in Höhe von 3000 Euro, gefördert von der Kasseler Sparkasse, erhielten bislang Frank Schulz, Jochen Schmidt, Tilman Rammstedt, Jess Jochimsen, Philipp Tingler, Michael Stauffer, Rebekka Kricheldorf, Jan Neumann, Tino Hanekamp und zuletzt Wolfram Lotz. Die Förderpreisvergabe für das Jahr 2014 wurde ausgesetzt, wird aber im nächsten Jahr wieder vorgenommen.


Die Stiftung Brückner-Kühner

wurde 1984 von den Schriftstellern Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner ins Leben gerufen, die 30 Jahre zusammen in Kassel lebten und dort 1996 kurz nacheinander verstarben. Die Stiftung wirkt heute als Literaturzentrum auf den Gebieten des Komischen und der international avancierten Poesie, und sie unterhält das Dichterhaus Brückner-Kühner als Literaturmuseum, um von hier aus die Erinnerung an das Stifterpaar wach zu halten.

Dem Stiftungsrat gehören folgende Personen an: der Literaturprofessor Dr. Dr. h.c. Walter Pape (Vorsitzender, Köln), die Lektorin Friederike Emmerling (Frankfurt a.M.), die Lektorin Dr. Renate Jakobson (Berlin), der Autor Ingomar von Kieseritzky (Berlin), der Literaturwissenschaftler und Autor Christian Maintz (Hamburg), der Übersetzer Harry Rowohlt (Hamburg), der Literaturprofessor Dr. Uwe Wirth (Gießen) sowie Dr. Thomas Wohlfahrt, Leiter der literaturWERKstatt Berlin. Geschäftsführer der Stiftung ist der Literaturwissenschaftler Dr. Friedrich W. Block.

Näheres zum Engagement der Literaturstiftung unter www.brueckner-kuehner.de.