Donnerstag, 22. November 2012

"Nie ohne Kamera!

DVD dokumentiert Nachkriegsgeschichte und den Filmemacher

Die DVD "Nie ohne Kamera!" mit der Filmkamera
 von Walter Nies.mFoto: LWL/Steinweg
Die Nachkriegsgeschichte Lippstadts und zugleich das Leben und Werk des Filmemachers Walter Nies dokumentiert eine DVD, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) jetzt zusammen mit der Stadt Lippstadt herausgebracht hat. Ein knapp 40-minütiges Filmporträt und elf Originalfilme machen nicht nur Lippstädter Lokalgeschichte, sondern auch bundesrepublikanische Zeitgeschichte lebendig. Denn von 1955 bis 1963 war Nies als Kameramann für das kanadische Fernsehen tätig und filmte u.a. die Geburtsstunde der Bundeswehr, Adenauers 80. Geburtstag und den Besuch hochrangiger Persönlichkeiten in Bonn.

Sein Hauptmotiv bildete aber seine Heimatstadt, deren Entwicklung er von den 1940ern bis in die 1970er Jahre filmisch begleitete. "Wenn wir in die Stadt gefahren sind, dann nie ohne Kamera", sagt Ingetraud Nies in einem Interview, das Film-regisseurin Christine Finger mit der Ehefrau des 2008 verstorbenen Lippstädters geführt hat. "Die Regisseurin hat das Interview mit zahlreichen Aufnahmen aus dem umfangreichen Nachlass des Autodidakten Nies zu einem eindrucksvollen Filmporträt verwoben. Entstanden ist ein Film, der vieles über den Fotografen und Filmer Walter Nies aussagt und einen Querschnitt aus seinen Filmen zeigt", sagt Prof. Dr. Markus Köster, Leiter des LWL-Medienzentrums für Westfalen.


Geschichte mit Kamera festgehalten

Die ersten Filme drehte Nies bereits zur Zeit des Nationalsozialismus. Damals gehörte vor allem die Hitlerjugend zu den Auftraggebern von Walter Nies. Die nächste Schaffensperiode spiegelt Ereignisse der Geschichte der jungen Bundesrepublik Deutschland, die Walter Nies hauptsächlich für das kanadische Fernsehen festgehalten hat. Mitte der 1960er Jahre kehrte er in seine Heimatstadt zurück und baute als freier Mitarbeiter die Bildstelle der Stadt auf. In Jahresschauen, die im Rathaussaal den Bürgern gezeigt wurden, präsentierte er seine Dokumentationsarbeit mit der Kamera.

Christine Finger hat die Sequenzen nach Jahrzehnten geordnet und zu einem geschlossenen Dokumentarfilm gestaltet: In dem sieht man z.B. ergreifende Szenen von Kriegsheimkehrern in Friedland, aber auch den Wiederaufbau in Lippstadt, die zunehmende Motorisierung, Hochwasser und Brände, den Wandel der Mode und der Straßenbilder, Freizeitvergnügen, Sportveranstaltungen und Feste sowie den beliebten Bürgermeister Jakob Koenen, der mit einem bravourösen Kopfsprung das Hallenbad eröffnet.

Sein umfangreiches filmisches und auch fotografisches Werk vermachte Walter Nies noch zu Lebzeiten dem Archiv seiner Heimatstadt. Die verfügt so über ein visuelles Erbe von 50 Jahre ihrer Geschichte, um das sie manch andere Kommune beneidet. "Aus konservatorischen Gründen haben wir die Originalfilme im Filmarchiv des LWL-Medienzentrums eingelagert", erklärt die Stadtarchivarin Dr. Claudia Becker. "Auf DVD überspielt, kann es aber weiterhin auch bei uns angesehen werden."

"Walter Nies ist es zu verdanken, dass längst Vergangenes, wie er es damals durch den Sucher gesehen und aufgenommen hat, heute noch sichtbar ist. Mit der DVD machen wir dieses wertvolle Bilderbe einer breiten Öffentlichkeit wieder zugänglich", erklärt Dr. Hermann-Josef Höper, Produktionsleiter im LWL-Medienzentrum.


Walter Nies und seine Leica, 2005.
Foto: LWL/Sagurna
Hintergrund:

Walter Nies (1918 - 2008) stammte aus einer gut situierten, alteingesessenen Lippstädter Brauereifamilie. Aus gesundheitlichen Gründen war ihm eine dauerhafte berufliche Tätigkeit verwehrt. Früh konzentrierte er sich ganz auf seine Leidenschaft, das Fotografieren und Filmen.

Der Blickwinkel von Walter Nies war nie eingeschränkt. Die Verwendung des Schulterstativs war eines seiner Markenzeichen, so gelangen ihm ruhige

Bilder und ruckelfreie Schwenks. Er wechselte vielfach seinen Standort im Raum, ging zur Seite, drehte sich mit der Kamera, ging in die Knie, stieg auf Podeste. Sogar in einer fahrenden Achterbahn wurde er filmend gesehen. Er zeigte Menschengruppen, konzentrierte sich auf Persönlichkeiten und die Gesichter von Menschen. "Walter Nies scheute sich auch nicht, sich der Illusion zu bedienen, wenn er vom Kirchturm aus erstellte Filmbilder in Ballonfahrtbilder hineinschnitt", so Höper. "Letztendlich aber bleiben seine Bilder ehrlich, nicht frei vom Zeitgeist, aber weitgehend frei von Ideologie. Für ihn, den Bildbesessenen zählte in erster Linie das Bild, gab es nur den zahlenden Auftraggeber - oder auch nicht. In der unmittelbaren Nachkriegszeit arbeitete er vielfach ohne Bezahlung."

Nie ohne Kamera! Die Filme des Lippstädters Walter Nies
Film von Christine Finger,
ca. 35 Minuten plus elf Kurzfilme von zusammen ca. 75 Minuten, 31seitiges Booklet
Für 14,90 Euro ist die DVD beim LWL-Medienzentrum für Westfalen, Fürstenbergstraße 14, 48147 Münster.

E-Mail: medienzentrum@lwl.org
Fax: 0251/591-3982
http://www.westfalen-medien.lwl.org
oder in Lippstadt bei der Kulturinformation im Rathaus und in den Patriot-Geschäftsstellen erhältlich.