Donnerstag, 4. April 2013

Forscher lösen Rätsel um ausgestorbene Tiergruppe

Desmostylia als schlechter Grundschwimmer oder -gänger in seichtem Wasser. Abbildung: Tatsuya Shinmura, Ashoro Museum of Paleontology.

 Licht ins Dunkel bringen

Schon lange streitet die Wissenschaft darüber, ob die vor rund zehn Millionen Jahren ausgestorbenen Desmostylia überwiegend im Wasser oder an Land lebten. Licht ins Dunkel bringen nun japanische Wissenschaftler unter Beteiligung von Paläontologen der Universität Bonn. Die Knochenmikrostruktur der Fossilien weist eindeutig darauf hin, dass die rundlichen Vierbeiner vorwiegend im Meer lebten. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe von „PLOS ONE“ vorgestellt.

Bei den Desmostylia handelt es sich um eine rätselhafte Gruppe ausgestorbener Säugetiere. Die rundlichen Vierbeiner lebten etwa vor 30 bis zehn Millionen Jahren im nördlichen Pazifik zwischen Japan und Nordamerika. Die Füße waren auffallend breit und dienten womöglich als Paddel. „Über die Paläoökologie dieser Tiere wurde in der Wissenschaft bislang sehr kontrovers diskutiert“, berichtet Dr. Alexandra Houssaye, Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung am Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn. Manche Forscher hielten die Desmostylia für überwiegend an Land lebende Vierbeiner, die in küstennähe lebten. Andere interpretierten die geheimnisvollen Tiere als seehundartige Lebewesen, die die größte Zeit im Meer verbrachten und nur zum Rasten an Land kamen.

Vergleich der Knochenmikrostruktur mit heute lebenden Tieren

Neue Erkenntnisse zur Lebensweise der rätselhaften Wesen brachte nun ein internationales Team um die japanischen Forscher Shoji Hayashi und Tomohiro Osaki unter Beteiligung der Universität Bonn. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es sich bei den Desmostylia um keine landgebundenen Tiere handelte, sondern dass sie an die Lebensweise im Meer angepasst waren“, sagt Dr. Houssaye. Sie untersuchte die Mikrostruktur der Knochen verschiedener Desmostylia-Fossilien, die in Japan gefunden wurden, und verglich sie mit heute lebenden Säugetieren wie etwa Nilpferd, Eisbär und Seehund. Unter dem Lichtmikroskop untersuchte die Wissenschaftlerin Dünnschliffe der fossilen Knochen oder durchleuchtete sie zerstörungsfrei unter dem Mikro-Computertomografen am Steinmann-Institut.



Desmostylia dargestellt als guter Schwimmer in einem Habitat im offenen Meer. Abbildung: Tatsuya Shinmura, Ashoro Museum of Paleontology.


Eine hohe Knochendichte dient Meeresbewohnern als Ballast

Die Knochenmikrostruktur sagt viel über die Lebensweise eines Tieres aus. So verfügen Landlebewesen aus Stabilitätsgründen meist über Knochen mit Hohlräumen. Die meisten der untersuchten Desmostylia-Fossilien wiesen jedoch eine hohe Dichte und eine sehr kompakte Struktur auf. „Eine hohe Knochendichte kommt heute noch bei Lebewesen vor, die in flachem Wasser nach Nahrung tauchen – sie dient etwa Seekühen als Ballast“, sagt die Wissenschaftlerin. Durch das höhere Gewicht konnte dieser Desmostylia-Typ leicht tauchen und den Meeresgrund abweiden. Eine andere Variante verfügte hingegen über eher schwammartige Knochen und ein langgestrecktes Skelett. Dabei handelte es sich offensichtlich um Desmostylia, die sehr gute Schwimmer im offenen Meer waren.

Desmostylia haben sich an zwei Lebensräume im Meer angepasst

„Unsere Analysen der Knochenmikrostruktur zeigen, dass sich die Desmostylia an zwei verschiedene Lebensräume angepasst haben: einerseits die flachen Küstenbereiche und andererseits das offene Meer“, berichtet Dr. Houssaye. Offenbar ging die evolutionäre Entwicklung von tauchenden Küstenbewohnern mit hoher Knochendichte hin zu den Bewohnern des freien Meeres mit mehr Hohlräumen in der Knochenstruktur. Eine vorwiegend ans Land angepasste Lebensweise könne mit den Daten jedoch ausgeschlossen werden.

Publikation: Bone Histology Suggests Increasing Aquatic Adaptations in Desmostylia (Mammalia, Afrotheria), PLOS ONE, DOI: 10.1371/journal.pone.0059146, Internet: http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0059146