Freitag, 23. November 2012

Ausgestoßen, verfolgt, ins Exil getrieben


Hans Tombrock, Marie Sanders, 1940, Zeichnung.
Foto: Fritz-Hüser-Institut, Dortmund 
Ausgestoßen, verfolgt, ins Exil getrieben: Deutsche Künstler, die sich der nationalsozialistischen Ideologie nicht beugen wollten, wurden nach 1933 systematisch unterdrückt, ihre Werke aus Museen verbannt, vernichtet oder ins Ausland verschoben. Die Werke angepasster Künstler wurden für Propagandazwecke instrumentalisiert. Die Ausstellung "Anpassung - Überleben - Widerstand. Künstler im Nationalsozialismus" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) vereint erstmals auf regionaler Ebene sowohl Werke der so genannten entarteten Kunst, als auch Arbeiten von Künstlern, die sich der nationalsozialistischen Kunstdoktrin anpassten. Sie präsentiert rund 100 Gemälde, Skulpturen, Handzeichnungen und Graphiken von über 20 westfälischen Künstlern, darunter auch das Gemälde von Magnus Zeller "Der totale Staat" von 1938, das nur in Münster und Detmold gezeigt wird.


Paul Thesing, Selbstbildnis, Ischia, um 1938, Öl / Pappe.
Foto: Institut für moderne Kunst, Nürnberg 
In Kooperation mit sechs westfälischen Museen hat das LWL-Museumsamt für Westfalen diese Ausstellung konzipiert. Kurator Klaus Kösters wählte ausschließlich Künstler aus, die in Westfalen geboren wurden, oder längere Zeit hier lebten. An ihrer ersten Station im Stadtmuseum Münster liegt ein Schwerpunkt der Ausstellung auf den münsterschen Künstlern Carl Busch, Ernst Bahn, Fritz Levedag und Aloys Röhr. Die Ausstellung zeigt sowohl Arbeiten, die sich der nationalsozialistischen Kunstdoktrin unterwarfen, als auch Werke, die damals als "volksschädliche Verfallskunst" galten. Betreut wird die "münstersche" Ausstellung von Dr. Rita Kauder-Steiniger vom Stadtmuseum.

Künstler aus Westfalen und Münster

"Die umfangreichen Forschungen zur münsterschen Kunstszene in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die seit mehr als drei Jahrzehnten im Stadtmuseum geleistet worden sind und die zahlreichen monografischen Ausstellungen im Museum, konnten nun fruchtbar in das Projekt eingebracht werden. Darüber hinaus können die Phänomene 'Anpassung - Überleben - Widerstand' als Teil eines deutschlandweiten Phänomens nicht nur am Wirken münsterscher Künstler verstanden werden", fasst Museumsleiterin Dr. Barbara Rommé zusammen.

Paul Thesing, Hafen von Andratx, um 1915.      Foto: Institut für moderne Kunst, Nürnberg

Aloys Röhr, Frauenkopf, 1921, Eichen¬holz. Stadtmuseum Münster.
Foto: Stadtmuseum Münster
Unter den Nationalsozialisten diente die Kunst allein zur Darstellung und Unterstützung der ideologischen Doktrin des Nationalsozialismus. Kunstkritik war seit 1937 verboten, lediglich erbauende Kunstbetrachtung erlaubt. Wie reagierten deutsche Künstler auf diese Einschränkungen? Die übergroße Mehrzahl der um 1890/1905 geborenen Künstler war 1933 zu jung, um einen bekannten Namen zu haben. Sofern sie sich nicht den ideologischen Vorstellungen der NS-Funktionäre anpassten, gerieten sie ins Abseits oder gingen ins Exil. Die in Deutschland verbliebenen Künstler wurden von den Strömungen der internationalen Kunst abgeschnitten.

Den Künstlern dieser Generation gilt die Aufmerksamkeit der Ausstellung. Sie geht der Frage nach, wie Künstler während des Nationalsozialismus auf ideologische Beeinflussung, Kunstzensur, Überwachung bis hin zu Arbeits- und Ausstellungsverbot reagierten. Ihre Biografien vermitteln dabei die gesamte Bandbreite unterschiedlicher Künstlerschicksale im "Dritten Reich".

Als unbedenklich eingestuft

Die münsterschen Künstler wurden von den neuen Machthabern als unbedenklich eingestuft. Ihre Kunst war eher der bürgerlichen, idyllischen als der kritischen Variante der neuen Sachlichkeit zuzuordnen. Landschaftsbilder und bäuerliche Szenen, die den nationalsozialistischen Vorstellungen von "Bodenständigkeit" und "völkischer Eigenart" entsprachen, waren gängige Themen.

In der Ausstellung wird durch die vier ausgewählten Künstler Carl Busch, Ernst Bahn, Fritz Levedag und Aloys Röhr beispielhaft die münstersche Kunstszene der Zeit vorgestellt und auf die unterschiedlichen persönlichen Schicksale eingegangen. So wurde der junge Carl Busch als Kriegsmaler an die Front berufen, während sich der Bildhauer und Graphiker Aloys Röhr gänzlich aus der Öffentlichkeit und in die innere Immigration zurückzog, nachdem es 1933 in Münster zur Gleichschaltung der "Freien Künstlergemeinschaft Schanze" gekommen war.

Carl Busch, Kartoffelernte, 1934, Öl / Lw., Stadtmuseum Münster.
Foto: Stadtmuseum Münster 
Möglich wurde die Ausstellung durch Leihgaben verschiedener westfälischer Museen wie auch des Deutschen Historischen Museums in Berlin und der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Aber auch zahlreiche private Leihgaben aus Künstlernachlässen, die teilweise noch nie der Öffentlichkeit präsentiert wurden, sind vertreten. Zur Ausstellung liegt ein Katalog zum Preis von 19,80 Euro vor (Aschendorff-Verlag).


Anpassung - Überleben - Widerstand
 Künstler im Nationalsozialismus
Eine Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes in Kooperation mit westfälischen Museen

20. November 2012 bis 1. April 2013
Stadtmuseum Münster, Salzstraße 28 in 48143 Münster
Geöffnet: dienstags bis freitags 10 bis 18 Uhr, samstags, sonntags und feiertags 11bis 18 Uhr

Weitere Ausstellungsstationen:

Lippisches Landesmuseum Detmold 3. Mai bis 28. Juli 2013
Kreismuseum Wewelsburg 15. September bis 24. November 2013
Städtische Galerie Iserlohn 29. November 2013 bis 16. Februar 2014
Museen der Stadt Lüdenscheid 28. Februar bis 18. Mai 2014
Kunstmuseum Wilhelm-Morgner-Haus Soest 25. Mai bis 6. Juli 2014