|
Die Milch macht's. Junger Bergmann nach der Schicht in Kamp-Lintfort, ca. 1955.
Foto: LWL/Windstosser |
Bier für das Ruhrgebiet, Schnaps für Westfalen
Bier für das Ruhrgebiet, Schnaps für Westfalen - was ist dran an den
regionalen Vorlieben für spezielle Getränke? Die Ausstellung "Zum Wohl!
Getränke zwischen Kultur und Konsum" geht auf Spurensuche. Sie zeigt die
Entwicklung der Trinkkultur und Kultgetränke in Westfalen und dem
Ruhrgebiet im Industriezeitalter. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe
(LWL) eröffnet die Schau am Freitag, 22. März, um 19 Uhr in seinem Industriemuseum Zeche Hannover in Bochum, sie ist bis zum 1. September zu sehen.
"Die wichtigsten Getränke haben im Laufe der Geschichte unterschiedliche
Konjunkturen erfahren. Mit der Industrialisierung wuchs im Ruhrgebiet
ein ungeheurer Durst nach Wasser und Bier. Doch mit dem Strukturwandel
hat auch die ehemalige Bierstadt Dortmund ihren einstigen Spitzenplatz
in Europa verloren", erklärte LWL-Museumsleiter Dietmar Osses am
Donnerstag (21.3.) bei der Vorstellung der Ausstellung und des
umfangreichen Begleitprogramms. So spiegelten die Getränke nicht nur den
jeweiligen Zeitgeist wider, sondern auch die technischen,
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten.
Mit zahlreichen Exponaten, Fotos und Dokumenten gibt die Ausstellung am
Beispiel von Bier und Schnaps, Wasser und, Limonade, Milch, Kaffee und
Tee einen Einblick in die Produktion, das Image und den Konsum des
flüssigen Kulturguts im Wandel der Zeit. Die Ausstellung zeigt die
sozialen Zuschreibungen und Konjunkturen, denen der Konsum der
verschiedenen Getränke unterliegt, und beleuchtet die Hintergründe.
|
Emmy Olschewski 1981 vor ihrer Trinkhalle
in Castrop-Rauxel. Die Bude steht jetzt in der
Ausstellung "Zum Wohl". Foto: LWL |
Wasser ist das natürlichste aller Getränke und heute doch ein
High-Tech-Produkt. Maschinelle Produktion und künstliche Kohlensäure
machten das Mineralwasser Ende des 19. Jahrhunderts im Ruhrgebiet
populär. Aus den Verkaufsständen der Mineralquellen aus der Eifel
entwickelten sich die Trinkhallen im Revier - bis heute eine weit
verbreitete und hoch geschätzte Institution im Ruhrgebiet.
Die originale historische Trinkhalle von Emmy Olschewski aus dem Jahr
1921 bildet entsprechend den Mittelpunkt der Ausstellung. Bis 1995 stand
sie in der Bergarbeitersiedlung Schwerin in Castrop-Rauxel. Die
Trinkhalle sicherte der Bergmannswitwe Anna Jaeger und ihrer Tochter
Emmy Olschewski Jahrzehnte lang das Einkommen und galt als wichtiger Ort
der Nahversorgung und als Nachrichtentreff der Nachbarschaft.
|
Über 100 Jahre alt ist dieses Werbeschild
von Sinalco. Foto: LWL |
Limonade wurde Anfang des 20. Jahrhunderts im Zuge der
Mäßigkeitsbewegung als alkoholfreie Alternative zu Schnaps und Bier
propagiert. Die Marke Sinalco - ein Kunstwort aus dem lateinischen "sine
alcohol" - ohne Alkohol - trat ab 1905 aus dem ostwestfälischen
Städtchen Lage und später Detmold ihren Siegeszug durch ganz Deutschland
und Europa an.
Schnaps diente bis in die Anfänge der Industrialisierung als günstiger
Energielieferant für die Ärmsten der Gesellschaft. Im Maschinenzeitalter
brachten die berauschende Wirkung und drohende Alkoholsucht
hochprozentigen Alkohol in Verruf. Vor allem in den ländlichen Regionen
Westfalens haben Konsum und Herstellung von Schnaps bis heute jedoch
ihre Bedeutung bewahrt.
Bier erlebte als erfrischendes Getränk mit geringem Alkoholgehalt im
Industriezeitalter eine einzigartige Hochkonjunktur. Neue Brau- und
Kühlverfahren machten Bier zum beliebten Massengetränk im Ruhrgebiet.
Der Dreiklang Kohle, Stahl und Bier bildete viele Jahre lang das Motto
der Biermetropole Dortmund, die Anfang der 1970 Jahre mit mehr als
siebeneinhalb Millionen Hektolitern Bierausstoß pro Jahr den Spitzenwert
in Europa erzielte. Mit dem Niedergang von Bergbau, Eisen- und
Stahlindustrie schwanden seit Mitte der 1960er Jahren die
Massenarbeitsplätze, und auch der Bierkonsum ging deutlich zurück. Heute
dominieren wenige Großbrauereien den deutschen Markt. Viele der
bekannten Biersorten und Biermarken wie Schlegel oder Hülsmann sind
verschwunden. Einige wenige kleinere Privatbrauereien wie die Bochumer
Fiege-Brauerei können sich jedoch am Markt behaupten.
|
Historische Knickerflaschen waren bis in die 1950er Jahre in Gebrauch. Foto: LWL |
Milch ist nahrhaft, galt aber wegen der geringen Haltbarkeit bis Anfang
des 20. Jahrhunderts als riskant. Mit verbesserten Möglichkeiten zur
Kühlung und Vorbeugung gegen Keime entwickelte sich die Milch
schließlich vom Risikogetränk zum gesunden Grundnahrungsmittel. Als
Vorbeugung gegen Vergiftungserscheinungen war sie für die Arbeiter in
Kokereien und an Hochöfen oft Pflicht.
Kaffee galt lange als teures Luxusgut für die "bessere Gesellschaft".
Erst im 20.Jahrhundert breitete sich der Kaffeekonsum in allen
Gesellschaftsschichten aus. Aus den Bergwerken des Ruhrgebiets war die
"Kaffeepulle" bald nicht mehr wegzudenken. Heute ist Kaffee in seinen
vielfältigen Formen das am meisten konsumierte Getränk in Deutschland.
Tee gelangte mit den Entdeckungsreisen aus Fernost nach Europa. Im
Industriezeitalter entwickelte sich die Luxusware zum Massenprodukt.
Hochofenarbeiter schätzten den Tee als Hilfe gegen hohen
Flüssigkeitsverlust. Für viele Arbeiter aus Südeuropa bedeutete das
Teetrinken in vertrauter Runde ein Stück Heimat in Deutschland.
Begleitprogramm:
Freitag, 22. März, 19 Uhr
Eröffnung der Ausstellung mit Ausstellungsrundgang und Begleitprogramm
Montag, 1. April, 16 Uhr
Offene Führung durch die Ausstellung
Samstag, 6. April, 16 Uhr
Vortrag mit Workshop und Verkostung: Kaffee - das Schmiermittel der
Industrialisierung. Geschichte, Globalisierung und guter Geschmack. Mit
Kaffeeröster Alex Kunkel.
Anmeldung unter Tel. 0234 6100-847
Sonntag, 7. April, 14 Uhr
Vortrag mit Workshop und Verkostung: Kaffee - das Schmiermittel der
Industrialisierung. Geschichte, Globalisierung und guter Geschmack. Mit
Kaffeeröster Alex Kunkel.
Anmeldung unter Tel. 0234 6100-847
Freitag, 26. April, 19 Uhr
"Korn, Schnaps und lecker Likörchen". Workshop mit Olaf Vorberg zur
Geschichte der Schnapsbrennereien und Likörherstellung in Bochum. Mit
Kostprobe.
Anmeldung unter Tel. 0234 6100-847
Montag, 20. Mai, 14 Uhr
"Kaffeeklatsch". Führung durch die Ausstellung "Zum Wohl" mit Gespräch
bei Kaffee und Kuchen. Anmeldung unter Tel. 0234 6100-847. Kosten: 5 €
pro Person.
Donnerstag, 6. Juni, 19 Uhr
"Vom Wasserhäuschen zur Seltersbude". Trinkhallen im Ruhrgebiet. Vortrag von Dietmar Osses
Sonntag, 30. Juni, 16 Uhr
Offene Führung durch die Ausstellung
Samstag, 6. Juli, 21-23 Uhr
Bierkenner-Wettbewerb zur Extraschicht - Nacht der Industriekultur. In
Zusammenarbeit mit dem Dortmunder ProBier-Club. Kosten: Sondereintritt
Extraschicht.
Sonntag, 21. Juli, 14 Uhr
"Kaffeeklatsch": Führung durch die Ausstellung "Zum Wohl" mit Gespräch
bei Kaffee und Kuchen. Anmeldung unter Tel. 0234 6100-847. Kosten: 5 €
pro Person.
Sonntag, 28. Juli, 14 Uhr
Cocktails für Kinder: Workshop und Ausstellungsrundgang. Bunte Säfte und
frische Früchte werden in eigens dekorierten Gläsern hergerichtet.
Anmeldung unter 0234/ 61 00 847. Kosten: 3 € pro Person
Sonntag, 11. August, 14-16 Uhr
Cocktails für Kinder: Workshop und Ausstellungsrundgang. Bunte Säfte und
frische Früchte werden in eigens dekorierten Gläsern hergerichtet.
Anmeldung unter 0234/ 61 00 847. Kosten: 3 € pro Person.
Sonntag, 25. August, 14 Uhr
Offene Führung durch die Ausstellung
Sonntag, 1. September, 16 Uhr
Finissage der Ausstellung "Zum Wohl" mit Musik und Begleitprogramm.
Zum Wohl. Getränke zwischen Kultur und Konsum
LWL- Industriemuseum Zeche Hannover
23. März bis 1. September,
geöffnet Mi-Sa 14-18 Uhr, So 11-18 Uhr
Günnigfelder Straße 251 I 44793 Bochum
http://www.lwl-industriemuseum.de
LWL-Einrichtung:
LWL-Industriemuseum Zeche Hannover
Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur
Günnigfelder Straße 251
44793 Bochum
Karte und Routenplaner