Dienstag, 27. November 2012

"Wer hier schrieb, wusste worauf er sich einließ"

Die LWL-Literaturkommission hat jetzt eine
Dokumentation der NS-Literaturzeitschrift
"Heimat und Reich" herausgegeben. Foto: LWL
Die (Um)Benennung von Straßennamen ist nach wie vor ein viel diskutiertes Thema. Dabei fehlt es oft an fundiertem Quellenmaterial. Die Literaturkommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat jetzt eine Dokumentation der Zeitschrift "Heimat und Reich" veröffentlicht. Diese war das maßgebliche Publikationsorgan der westfälischen Literatur zwischen 1934 und 1943. Eine Vielzahl der heute hinterfragten Autoren kommt in der Zeitschrift mit einschlägigen propagandistischen Beiträgen zu Wort.


"Wer sich als Beiträger für 'Heimat und Reich' gewinnen ließ, wusste, worauf er sich einließ", so Professor Dr. Walter Gödden, Initiator des Projekts und Geschäftsführer der Literaturkommission.

Westfälische Schriftsteller gehörten von Anfang an zum festen Beiträgerstamm des rund 3.000 Seiten umfassenden Magazins. Schon hierdurch erlangte die Zeitschrift eine besondere Nähe zur Literatur. Die Autoren steuerten nicht nur belletristische Texte bei, sondern auch politisch-weltanschauliche Essays. Sie hatten hierdurch unmittelbaren Anteil an der ideologischen Fassade des Magazins. An der Feier von Gaukulturwochen und anderen Aufzügen waren westfälische Schriftsteller unmittelbar beteiligt.

In ästhetischer Hinsicht waren die Jahre zwischen 1933 und 1945 verlorene Jahre, so Gödden. Der von "Heimat und Reich" propagierte Literaturbegriff ist äußerst eng gefasst. Es dominiert die Blut-und-Boden- und später die "Durchhalte"-Literatur. Daneben nimmt die Mundart großen Platz ein. Andere Literatur wurde vollständig ausgeblendet und als "Asphaltliteratur" bzw. als Literatur von "Konjunkturrittern" und "Konjunkturliteraten" diffamiert.

Auch in Westfalen versuchte der Nationalsozialismus, Literatur zu einer Massenbewegung zu machen. Man überbot sich in einem regelrechten Aktionismus, so die Quellenforscher. Hierzu gehörte auch die Etablierung neuer Literaturpreise, die an systemtreue Autoren verliehen wurden, worüber "Heimat und Reich" ausführlich berichtete. Mit jedem Heft wurde die Zeitschrift radikaler. Zuletzt betrieb sie offene Kriegspropaganda und Volksverhetzung.

Gödden zufolge ist "Heimat und Reich" die ergiebigste Quelle der westfälischen Literaturpolitik jener Jahre. Auch für andere Strömungen der westfälischen Kultur- und Geistesgeschichte, etwa die bildende Kunst, stelle sie wichtiges, bislang nur wenig bekanntes Material zur Verfügung.

Westfälische Literatur im "Dritten Reich". Die Zeitschrift Heimat und Reich.
Eine Dokumentation. Herausgegeben und bearbeitet von Walter GöddenRedaktion: Arnold Maxwill.
Veröffentlichungen der LWL-Literaturkommission für Westfalen Band 51,
2012. 2 Bände, zusammen 933 Seiten. ISBN 978-3-89528-962-0.
78 Euro