Mittwoch, 14. August 2013

Verlorene Seelen und Botschaften


Die Botschaften auf den zwei verbliebenen Bänken im Schlossgarten nennen Krieg und Gewalt beim Namen. Die amerikanische Künstlerin Jenny Holzer gestaltete sie 1987 und platzierte sie in unmittelbarer Nähe zum Kriegerdenkmal „Stehender Soldat“ aus dem Jahr 1923. Fotos (2): Fritz von Poblotzki.

 Denkmäler und Ehrenmale

Sie prägen das Stadtbild. Täglich sehen und übersehen wir sie - Denkmäler und Ehrenmale. Über 100 Objekte erinnern an Straßen, Gebäuden, in Parks und auf Friedhöfen an Opfer von Krieg und Gewalt. Ausgewählte Beispiele für die reiche Gedenklandschaft Münsters - dokumentiert in einer umfangreichen Broschüre des Stadtarchivs - stellen wir in einer Serie vor. Heute: Zwei Denkmäler im Spiegel der Kunst.

Diese historische Zeichnung zeigt die drei Täuferführer, deren Leichen 1536 in den eisernen Körben an St. Lamberti zu Schau gestellt wurden. Foto: Stadt Münster.

Die eisernen Körbe am Kirchturm von St. Lamberti sind ein Wahrzeichen der Stadt, das nicht nur Touristen einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Die Käfige führen Jahrhunderte später noch den öffentlichen Tod der Anführer der Täuferbewegung Jan van Leiden, Bernhard Knipperdolling und Bernd Krechting vor Augen. Die Täufer wurden am 22. Januar 1536 auf Geheiß des Bischofs auf dem Prinzipalmarkt erbarmungslos mehrere Stunden lang gefoltert, hingerichtet und ihre Leichen in den drei Käfigen am Kirchturm zur Schau gestellt. Die sterblichen Überreste waren noch Jahrzehnte später sichtbar. Die historischen Käfige, angefertigt durch Schmied Bertolt Smit von Lüdinghausen, sind heute ein eingetragenes Baudenkmal und ein nicht unumstrittenes Zeugnis religiöser Radikalisierung und unerbittlicher Strafjustiz.

In 60 Meter Höhe erinnern drei Glühlampen an die verlorenen Seelen der Täufer. Lothar Baumgarten schuf seine Installation „Drei Irrlichter“ zur Skulpturenausstellung 1987 – gut 450 Jahre nach dem Ende der Täuferherrschaft. Foto: Presseamt Münster / Angelika Klauser.

451 Jahre später setzte sich der Künstler Lothar Baumgarten mit dem grausamen Kapitel der Reformationsbewegung auseinander. Für die Skulptur-Projekte 1987 installierte er drei schwach brennende „Irrlichter“ in den Käfigen. In 60 Metern Höhe erinnerten drei Glühlampen an die verlorenen Seelen der Wiedertäufer und deren geschundene Leichname, die als Warnung und Einschüchterung der Bevölkerung am Lamberti-Turm aufgehängt wurden. Drei flackernde Totenlichter, die am Abend wie ein Zeichen aus der Vergangenheit ins Land leuchteten.

Die Botschaften auf den zwei verbliebenen Bänken im Schlossgarten nennen Krieg und Gewalt beim Namen. Die amerikanische Künstlerin Jenny Holzer gestaltete sie 1987 und platzierte sie in unmittelbarer Nähe zum Kriegerdenkmal „Stehender Soldat“ aus dem Jahr 1923. Fotos (2): Fritz von Poblotzki.

Gefallene Helden und Demaskierung von Krieg und Gewalt

Ein Mahnmal zu Ehren der „gefallenen Helden“ des Ersten Weltkrieges holte im gleichen Jahr die Arbeit der amerikanischen Installationskünstlerin Jenny Holzer aus der Versenkung der Vergessenheit: Das Kriegerdenkmal „Stehender Soldat“ der Artillerie-Regimenter an der Hauptallee im Schlossgarten. Holzer rückte einen Kranz von fünf Sandstein-Bänken um das Ehrenmal des Bildhauers Alexander Frerichmann von 1923, darin eingemeißelt kritische Texte, die Krieg und Gewalt beim Namen nennen. Zwei Steinbänke sind heute erhalten.
Eine Art Kampfansage an den Krieg. Eine Botschaft in englischer Sprache, die eine Distanz zum rein deutschen Blickwinkel herstellt. Ein gewollter Widerspruch zur Aussage des Ehrenmals, das zur Pflichterfüllung und Opferwillen mahnt. Der lebensgroße Soldat mit Stahlhelm, Uniform, Mantel und Schwert, der stilisierte Lorbeerkranz und das Eiserne Kreuz verkörpern die Enttäuschung über den verlorenen Krieg und Heldenverehrung.


Info: In der Dokumentation "Erinnern im öffentlichen Raum" gibt das Stadtarchiv Münster auf 100 Seiten einen Überblick über die Denkmallandschaft Münsters. Die reich bebilderte Broschüre ist im Stadtarchiv und im Stadtmuseum erhältlich (7,50 Euro).