Der Bundesgerichtshof hat sich am 23. Januar 2013 mit der Frage
befasst, wann ein Fahrzeug als sogenanntes "Montagsauto" einzustufen
ist und daher ein weiteres Nacherfüllungsverlangen für den Käufer
unzumutbar ist.
Der Kläger kaufte am 14. Juni 2008 zum Preis von 133.743 € brutto von
der Beklagten ein neues Wohnmobil, das ihm Ende April 2009 gegen Zahlung
des Kaufpreises ausgeliefert wurde.
Im Zeitraum von Mai 2009 bis März 2010 brachte der Kläger das Wohnmobil
insgesamt dreimal zur Durchführung von Garantiearbeiten in die Werkstatt
der Beklagten. So rügte er am 16. Mai 2009 zwanzig Mängel (u.a. Knarren
der Satellitenantenne beim Ausfahren, Flecken in der Spüle, schief
sitzende Abdeckkappen der Möbelverbinder, lose Stoßstange, Lösen der
Toilettenkassette aus der Halterung während der Fahrt). Am 6. August
2009 und am 1. März 2010 rügte er jeweils weitere Mängel.
Mit Anwaltsschreiben vom 1. April 2011 erklärte der Kläger – nachdem er
zwischenzeitlich weitere Mängel selbst beseitigt hatte und erneut
Garantiearbeiten hatte durchführen lassen - den Rücktritt vom
Kaufvertrag und rügte das Vorhandensein von fünfzehn Mängeln, deren
Beseitigung nach den Erkenntnissen eines von ihm beauftragten
Sachverständigen einen Kostenaufwand von 5.464 € netto verursachen
würde. Die Beklagte wies den Rücktritt zurück und bot die Beseitigung
vorhandener Mängel im Wege der Nacherfüllung an. Hiervon machte der
Kläger keinen Gebrauch. Er vertritt die Auffassung, in Anbetracht der
Vielzahl der insgesamt aufgetretenen Mängel ("Montagsauto") sei der
Rücktritt vom Kaufvertrag ohne vorherige Fristsetzung zur
Mängelbeseitigung zulässig.
Mit seiner Klage macht der Kläger Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich
Wertminderung) und Erstattung aufgewendeter Gutachterkosten, insgesamt
125.185,86 € (nebst Zinsen), Zug um Zug gegen Rückgabe des Wohnmobils
geltend. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.
Auch die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte
keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Frage, unter
welchen Voraussetzungen bei einem gehäuften Auftreten von Mängeln ein
sogenanntes "Montagsauto" vorliegt, bei dem eine (weitere) Nacherfüllung
für den Käufer gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB* entbehrlich oder nach §
440 Satz 1 Alt. 3 BGB** unzumutbar ist, der wertenden Betrachtung durch
den Tatrichter unterliegt. Ob ein Neufahrzeug im Hinblick auf die Art,
das Ausmaß und die Bedeutung der aufgetretenen Mängel als "Montagsauto"
anzusehen ist, beurteilt sich dabei danach, ob der bisherige
Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers die Befürchtung
rechtfertigt, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf
herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhenden Fehleranfälligkeit
insgesamt mangelhaft ist und auch zukünftig nicht frei von
herstellungsbedingten Mängeln sein wird.
Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall eine Fristsetzung zur
Nacherfüllung nicht als unzumutbar angesehen. Dabei ist es
rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Umstand, dass innerhalb
eines vergleichsweise kurzen Zeitraums zahlreiche Mängel aufgetreten
sind, aufgrund anderer bedeutsamer Aspekte entscheidend an Gewicht
verliert. Insbesondere handelt es sich nach der revisionsrechtlich nicht
zu beanstandenden Wertung des Berufungsgerichts bei der weitaus
überwiegenden Anzahl der vom Kläger beanstandeten Mängel um bloße
Bagatellprobleme, die nicht die technische Funktionstüchtigkeit des
Fahrzeugs, sondern dessen Optik und Ausstattung betreffen und denen das
Berufungsgericht rechtsfehlerfrei lediglich "Lästigkeitswert"
beigemessen hat.
*§ 323 BGB: Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung
(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige
Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er
dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder
Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
…
3. besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.
…
**§ 440 BGB: Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz
Außer in den Fällen des § 281 Abs. 2 und des § 323 Abs. 2 bedarf es der
Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der
Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 verweigert oder wenn die dem Käufer
zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist.
…
Urteil vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 140/12
LG Osnabrück - Urteil vom 17. November 2011 – 1 O 901/11
OLG Oldenburg - Urteil vom 4. April 2012 – 3 U 100/11
Karlsruhe, den 23. Januar 2013